März 29, 2020

Vorsicht Ansteckungsgefahr oder die Macht der emotionalen Ansteckung!

Wir beobachten derzeit wohl alle täglich das Geschehen um den Corona-Virus.

Was mich angeht, so beobachte ich derzeit aber noch einen weiteren Virus in unserer Gesellschaft. Und dieser Virus ist meiner Ansicht nach noch viel ansteckender als der Corona-Virus selbst.

Es ist der Virus der „emotionalen Ansteckung“!

Was versteckt sich hinter diesem unsichtbaren und hochansteckenden Virus?

Als emotionale Ansteckung bezeichnet man in der Psychologie – und das sei an dieser Stelle nur ganz vereinfacht dargestellt – das Phänomen, wenn Menschen Emotionen und Gefühle anderer Personen übernehmen. Sowohl im positiven als auch im negativen Bereich.

Emotionale Ansteckung wird auch emotionale Übertragung genannt und ist ein „simpler“, um nicht primitiv zu sagen, unbewusster Prozess der irgendwann auch zu unserem Überleben als Spezies beigetragen hat.

D. h. Menschen drücken sich und ihre Gefühle visuell über Mimik, Gestik oder verbal, über Worte gesprochen oder in Schrift, aus. Wenn Menschen jemanden beobachten, der Gefühle ausdrückt, dann werden im Gehirn nachweislich dieselben Regionen aktiviert, die genutzt werden, um selbst Gefühle auszudrücken.

Grundsätzlich ist die Fähigkeit Emotionen unseres Umfelds wahrnehmen zu können eine wichtige Komponente der emotionalen Intelligenz. Man darf allerdings emotionale Ansteckung nicht mit dem Begriff Empathie verwechseln. Empathisch zu sein, bedeutet fähig zu sein, sich in eine andere Person hineinzuversetzen und ihre Gefühle und Weltanschauung nachvollziehen zu können. Emotional angesteckt zu sein, bedeutet sich die Emotionen anderer anzueignen. Wir erleben Emotionen als wären es unsere eigenen.

Was mir in diesen Tagen wieder an sehr vielen Stellen bewusst wird, ist, dass emotionale Intelligenz bei vielen Leuten in unserer Gesellschaft einfach fehlt oder unterentwickelt ist.

Leider trifft dies auch auch in vielen Bereichen der Unternehmensführungen zu.

Es sind zweifelsohne keine einfachen Zeiten, in denen wir uns befinden, aber vielleicht braucht unsere Gesellschaft gerade diesen Cut mal wieder – auch, weil wir vergessen haben, einfach mal dankbar zu sein für das was wir haben? Ich beobachte, dass wir, egal wie viel wir haben – egal wie gut es uns geht, wir dennoch mehr aus einem Mangel-Bewusstsein heraus als aus einem Fülle-Bewusstsein agieren. Aber das ist nochmals ein anderes Thema.

Zurück zur emotionalen Ansteckung: derzeit kann man das Phänomen in ihrer negativen Form reichlich auf Youtube, Facebook oder Instagramm beobachten. Hier tummeln sich die vielfältigsten Menschenkinder und lassen ihren Gefühlen und Ansichten freien Lauf. Und ja, selbstverständlich bin auch ich für Meinungsfreiheit.

Aber am liebsten immer dann, wenn derjenige, der glaubt etwas sagen zu haben oder zu müssen auch ein Hirn hat, welches er benutzt und dazu möglichst einen umfassenden, ganzheitlichen Überblick über die Dinge hat. Eben halt aus der Vogelperspektive und nicht aus der Froschperspektive aus seinem Erdloch heraus.

Es gibt ja alle möglichen kollektiven Glaubenssätze, die da draußen kursieren und die besonders in diesen Tagen wieder auf fruchtbaren Boden fallen.

Denken Sie doch selbst einmal darüber nach, welche davon Sie von Zeit zu Zeit beeinflussen, verunsichern oder gar ängstigen…….

Studien an der Universität Graz, bei denen ProbandInnen Filme vorgespielt wurden, in denen eine Person zu sehen ist, die Emotionen ausdrückt, haben gezeigt, dass nicht nur die hinteren Areale des Gehirns für die Wahrnehmung der Gefühle anderer verantwortlich sind, sondern das Frontalhirn verarbeitet die emotionale Information schon, bevor sie Auswirkungen zeigen. Das Frontalhirn reguliert die hereinkommende Information und übt  top-down-Kontrolle aus. Emotionale Ansteckung wird auch als ein individualistischer Erklärungsansatz für kollektive Verhaltensweisen herangezogen, wenn etwa in Massen, im Sinne der Massenpsychologie von G. Le Bon, Menschen durch emotionale Ansteckung irrational, hysterisch und führungsbedürftig werden (Stangl, 2020).

Leider beobachte ich, dass es sehr viel schwarz oder weiss Betrachtungen gibt und mir persönlich zu viele der Aussagen nur  Vorwürfe und Anklagen und wenig hilfreiche und umsetzbare Lösungen enthalten.

Warum ist das so? Einer meiner Erklärungsansätze resutiert aus den Beobachtungen aus meiner Coaching-Praxis und aus der Unternehmensberatung.

Das Phänomen der negativen emotionalen Ansteckung beobachte ich vor allem bei Menschen, die im sogenannten ‚Opfer-Bewusstsein’ verharren, Verantwortung abschieben oder regelmäßig mangels einer Strategie, eines wohl definierten Ziels, einer Vision – oder einfach auch nur aus der persönlichen Überforderung heraus, regelmäßig in dieses Opfer-Bewusstsein zurückfallen. Sie sind sich gar nicht bewusst, welche Auswirkungen ihre Aussagen auch auf energetischer Ebene haben.

Unter diesen Menschen sind leider viel mehr Unternehmer als man glauben mag. Eigentlich erschreckend, denn diese Menschen führen wieder Menschen!!

Und da stellt sich die Frage, sollen das diejenigen Schäfer sein, die unsere Unternehmen und ihre Schäflein wieder aus einer bevorstehenden Krise führen können?

Mich stimmt das nicht sehr zuversichtlich………

Aber vermutlich haben diejenigen, die das betrifft auch hierfür wieder eine Ausrede, dass sie es nicht schaffen können, dass sie Opfer schlechter Entscheidungen geworden sind, die von oben auferlegt wurden und sie völlig unverschuldet mit in diese wirtschaftliche Krise geraten sind, die uns dieses Jahr eventuell noch bevor steht.

Meine Überzeugung und Erfahrung auch aus der letzten Krise 2008/2009: es wird Unternehmen geben, welche die Krise relativ unbeschadet überstehen werden – ja manche werden sogar gestärkt daraus hervorgehen.

Was unterscheidet diese Unternehmer von anderen?

Die Fähigkeit sich selbst reflektieren zu können oder sich regelmäßig einer Reflexion von aussen zu stellen und die Zeit der Krise dafür zu nutzen über ihre Strategien und Ziele nochmals nachzudenken.

Am Ende dieses Artikel möchte ich meine bescheidene Bitte an all diejenigen Personen richten, die derzeit den unwiderstehlichen Drang verspüren, Nachrichten einfach ungeprüft, unreflektiert und ohne vorher die Quellen ausführlich recherchiert zu haben, weiterzuleiten oder sonstigen Unsinn verbreiten und damit Angst und Panikmache schüren: haltet einfach einmal den Mund oder überlegt ein zweites Mal, bevor Ihr den Button „Teilen“ drückt!

Und hier noch eine schöne Studie als Anekdote zum Abschluss: Hier geht es um ein Facebook Psychologie-Experiment aus dem Jahre 2014  (Kramer et al, 2014).:

Dabei wurde mit 689.003 Nutzern ein Experiment durchgeführt und der Newsfeed der User manipuliert. Ziel des Experiments war es, herauszufinden ob Emotionen wie Depression oder Glück über das soziale Netzwerk auf die Nutzer übertragen werden können.

Dafür wurde der Algorithmus der neuen Nachrichten so manipuliert, dass über eine bestimmte Zeit eine außergewöhnliche niedrige Anzahl von entweder negativen oder positiven Posts angezeigt wurde. Es wurden dafür ca. drei Millionen Posts mit ca. 122 Millionen Worten analysiert und festgestellt, dass User, denen eine zeitlang weniger positive Posts angezeigt wurden sich dadurch beeinflussen ließen und sie in Folge selbst auch eher negative Einträge produzierten.

Dasselbe funktionerte aber auch umgekehrt: Wenn die User mehr positive Berichte erhielten, posteten die Nutzer ebenfalls eher Erfreuliches.

Das innovative an dem Experiment war, dass dies nun zeigte, dass emotionale Ansteckung auch ohne direkte Interaktion zwischen Menschen funktioniert. Das heißt: Emotionale Zustände von den Social-Media-Kontakten können sich auf die eigenen Gefühle auswirken!!

Und hier schliesst sich wieder der Kreis zu denjenigen die im Opfer-Bewusstsein sind oder stark für dieses empfänglich sind bzw. auch den Unternehmern unter Euch, die eine Verantwortung für ihre Mitarbeiter haben. Und nicht zuletzt Mangel-Bewusstsein erzeugt Mangel………

Was hilft?

Auch hier wäre mein Tipp: Distanz zu diesen Personen zu wahren  oder zumindest eine distanzierte Haltung einzunehmen und den Gegenüber einmal nüchtern zu analysieren.

Ich persönlich habe in den letzten Tagen einige meiner „sogenannten“ Freunde einfach entfernt, weil ich merke, dass deren Posts mir einfach nicht gut tun, auch aus dem Grund, weil beim Liken oder Weiterleiten meiner Einschätzung nach nichts gedacht wurde. So tragen diese Menschen dazu bei, dass sich eine Unmenge an Videos und Nachrichten verbreiten, die auch einer Szene entspringen, die genau auf dieses Verhalten und anspringenden Mechanismus der Menschheit vertrauen und sich diesen zu Nutze machen.

Für mich hat das auch nichts mit Kopf in den Sand, Intoleranz oder Ignoranz zu tun. Für mich ist es einfach nur Selbstliebe und Dankbarkeit der gesamten Schöpfung gegenüber, für deren Schutz wir alle eine Verantwortung übernehmen sollten! Last, but not least könnten wir an dieser Stelle auch noch über den spirituellen Hintergrund des ganzen Geschehens diskutieren – aber das mache ich dann in einem meiner nächsten Blog-Beiträge.

In diesem Sinne – haltet Abstand und bleibt zuhause bzw. ich meine damit „geht nach Innen“.

Eure Ulrike

About the author 

Ulrike Bleicher-Rapp

Wirtschaftspsychologin, Betriebswirtin und Unternehmensberaterin für integrale Organisationsentwicklung und Change Management.

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